Kindergarten, Grundschule, Mittlere Reife, eine Ausbildung zum Industriemechaniker. In seiner Kindheit und Jugend stand Kevin Vente vor vielversprechenden Perspektiven. Bis er ein Jahr vor dem Abschluss seiner Ausbildung in die falschen Kreise geriet und kündigte. Es folgten Suchtprobleme, einige Monate im Gefängnis – aber danach auch die Kehrtwende. Die Geschichte des 37-Jährigen zeigt, wie es auch nach kurzem Straucheln gelingen kann, das Leben wieder in die richtige Bahn zu lenken.
Kevin Vente ist Eintracht-Frankfurt-Fan – daran lassen die bedruckten Kissen, die sein Hintergrundbild im Video-Anruf zieren, keine Zweifel. Verwurzelt ist er aber im Osten Deutschlands: Seine frühe Kindheit verbrachte er in Erfurt, bevor er dann in Eishausen zur Schule ging. „Ist alles eigentlich ganz normal verlaufen“, erklärt Kevin. Er absolvierte die Realschule und trat dann in Coburg eine Ausbildung zum Industriemechaniker an. „Ich würde sagen, ich habe mich da echt gut geschlagen“, erzählt Kevin mit fränkischem Dialekt und lächelt. Zwei Jahre lang hatte er einen geregelten Tagesablauf, besuchte die Berufsschule und war fester Bestandteil seines Ausbildungsbetriebs. Zum Abschluss seiner Lehre kam es dann allerdings nicht: „Über damalige Bekannte bin ich in Drogenkreise geraten und habe – wie soll ich sagen – blöde Sachen gemacht.“
Kevin hielt sich fortan mit wechselnden Aushilfsjob über Wasser, die so gar nichts mit seinem ursprünglichen Ausbildungsberuf zu tun hatten. Das Leben und vor allem auch die Substanzen, die er regelmäßig zu sich nahm, waren teuer. So arbeitete er zeitweise in einer Fabrik, in der er große Käselaibe zuschnitt, und stellte zuletzt Sendungen für einen bekannten Lieferdienst zu. „Dann verlor ich meinen Führerschein, auch wegen der Drogen“, berichtet Kevin und blickt dabei starr in die Kamera. „Von da an war es noch schwieriger jobmäßig tätig zu sein – so ganz ohne von A nach B zu kommen.“
In der nächsten Zeit verkaufte Kevin online Waren, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. „Das ist nicht so ganz mit rechten Dingen zugegangen“, gibt er zu – seine kräftige Stimme wird leiser. So kam es, dass Kevin die nächsten Monate im Gefängnis verbrachte. „Wenn man einsitzt, ist das Leben ganz anders. Zumindest für mich war das so, weil ich plötzlich einen geregelten Tagesablauf hatte“, erklärt er. Seine Freilassung im September 2018 nimmt Kevin zum Anlass für einen neuen Lebensabschnitt. Im ersten Schritt war ihm deshalb besonders wichtig, sich die Struktur im Alltag auch in Freiheit zu erhalten. Seine Partnerin rät ihm dazu, sich über P&S und seine Möglichkeiten dort zu informieren – sie war bereits im Verkauf des Warenhauses H2HIBU tätig. Kevins Vermittlerin vom Jobcenter sicherte ihm dann einen Platz.
Der Job im Warenhaus bringt die Wende
„Die ersten paar Wochen war ich im Warenhaus – da haben wir Möbel aufgebaut. Es war tatsächlich anfangs schwer, wieder in den Rhythmus reinzufinden“, erzählt er. „Aber mit der Zeit habe ich mich dran gewöhnt und bin dann auch schon mit aufs Auto gekommen.“ Aufs Auto heißt: Möbel von den Spenderinnen und Spendern abholen, gekaufte Möbel an die neuen Besitzerinnen und Besitzer ausliefern und bei Umzügen bedürftiger Menschen helfen. „Das hat mir echt gut getan, weil ich so eine richtige Verpflichtung hatte und gleichzeitig von den Leuten, denen ich geholfen habe, total viel Dankbarkeit gespürt habe.“
Rund eineinhalb Jahre war Kevin bei P&S. „Was mir auch voll weitergeholfen hat, waren die Einzelgespräche, die ich mit einer Beraterin von P&S geführt habe“, erzählt er. „Da ging es ganz konkret um meine Suchtprobleme.“ Kevin wurde nämlich auf Bewährung freigelassen, weil er vorhatte, eine Alkoholtherapie zu machen. Diese Bedingung wurde dann fallengelassen, weil er nachweisen konnte, dass er seit Beginn seiner Haftstrafe keine Substanzen mehr konsumiert hatte. „Die Gespräche haben mir trotzdem sehr geholfen und waren mir echt eine Stütze auf dem Weg zurück ins geregelte Leben“, erklärt Kevin. „Ohne P&S wäre ich jetzt sicher nicht dort, wo ich heute bin.“
Inzwischen hat Kevin seinen Führerschein zurück und eine Festanstellung als Fahrer in Aussicht. „In dem neuen Job liefere ich Fisch an Supermärkte in ganz Thüringen aus“, erzählt er. Bevor er die neue Stelle antreten wird, zieht er noch gemeinsam mit seiner Familie in eine neue Wohnung. „Meine Verlobte und ich sind noch ganz frische Eltern“, sagt Kevin stolz lächelnd und schwenkt die Webcam nach rechts auf seine kleine Tochter. „Jetzt freue ich mich einfach nur noch auf unsere gemeinsame Zukunft.“