Eigentlich hatte Laura Zeka einen genauen Plan, was sie mit sich und ihrem Leben anstellen wollte: das Abitur und anschließend eine Ausbildung zur Mediengestalterin absolvieren. Dann kam aber doch alles anders. Jetzt will sie in eine neue Stadt ziehen, weit weg von Zuhause, ein neues Leben beginnen und studieren. Auch wenn sie dafür einige Hürden überwinden muss: Sie lässt sich nicht unterkriegen.
Lauras Bild ruckelt immer wieder, ihr Redefluss wird häufig unterbrochen. “Das kenne ich schon von meinen Videokonferenzen bei dem Seminar, das ich Anfang des Jahres besucht habe”, erklärt sie mit ruhiger Stimme. “Bekommen wir schon irgendwie hin.” Das Seminar, von dem Laura spricht, trug den Titel “Mut zur Aus- und Weiterbildung”. Und von dem scheint die 24-Jährige eine Menge zu haben – trotz oder vielleicht gerade wegen des Umwegs, der sie zu ihrem heutigen Ziel geführt hat.
“Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, wie ich das tatsächlich durchziehen konnte.” Laura lacht. “Ich bin 2017 bis 2020 fast jeden Tag um vier Uhr frühs aufgestanden, um fünf Uhr losgegangen, um den Zug um halb sechs zu erwischen. Punkt sieben stand ich dann jeden Tag auf der Matte.” Sie meint die “Matte” des 67 Kilometer entfernten beruflichen Gymnasiums: Die nächstgelegene Bildungseinrichtung, bei der Laura ihr Abitur mit dem Schwerpunkt “Gestaltung und Medientechnik” absolvieren konnte. “Zu dem Zeitpunkt wollte ich noch unbedingt eine Ausbildung zur Mediengestalterin machen”, erklärt Laura. Während ihrer Zeit am Gymnasium hat sich ihr Ziel aber geändert. “Ich habe gemerkt, dass ich den Berufswunsch eigentlich nur hatte, weil ich davon überzeugt war, dass eine Ausbildung dort schnell gefunden ist.” Die vielen Bewerbungen, die Laura geschrieben hat, haben dann gezeigt: Dem ist nicht so. Bei Vorstellungsgesprächen hat sich bei Laura außerdem eine weitere Erkenntnis verfestigt: So wirklich kreativ sein kann man in dem Beruf nicht. Und Kreativität ist eine ihrer größten Stärken.
“Es war nicht leicht, von der Idee abzulassen”, erklärt Laura. “Schließlich hat mir mein Ziel in gewisser Weise Halt gegeben. Aber hilft ja nichts. Deshalb habe ich mich gefragt: Was ist denn wirklich der Sinn in meinem Leben? Na, ich muss meiner Bestimmung folgen!” Der entscheidende Impuls dafür kam von ihren Lehrer*innen. Immer wieder wurde sie gelobt für ihre Präsentationen und wie sie Wissen vermittelte. “Da ist mir ein Licht aufgegangen: Ich möchte Kunst und Englisch auf Lehramt studieren.”
Auch wenn sich die Entscheidung richtig anfühlte, war das neue Ziel für Laura auch mit einigen Unsicherheiten verbunden: Sie stammt aus keiner Akademikerfamilie, ist die Erste, die studieren geht. Von ihrer Familie erfuhr sie statt Unterstützung einigen Gegenwind. Sie habe doch nun ihren Abschluss – wieso dann noch studieren, wenn sie auch gleich Geld verdienen könne? “Es war nicht leicht, trotzdem an meinem Ziel festzuhalten.” Lauras Blick wandert auf den Boden.
Im Alleingang sucht Laura im Internet nach passenden Hochschulen – und stößt schließlich auf die Universität Erfurt. “Ich wusste gleich: Da will ich hin.” Am liebsten noch im selben Jahr, wäre ein Umzug nicht mit hohen Kosten verbunden, die Laura zu dem Zeitpunkt nicht hätte decken können. Um das nötige Geld für ihr Studium zusammen zu sparen, begann Laura zu jobben. Da ein Familienmitglied aus dem gleichen Haushalt aber Hartz 4 bezog, wurden ihre Einkünfte vom Zeitungaustragen dort angerechnet. Ihre Vermittlerin vom Jobcenter hat sie dann auf H2Hibu, das Sozialkaufhaus von P&S, aufmerksam gemacht. Was man dort verdient, kann nämlich nirgends angerechnet werden.
“Erst war ich total abgeschreckt und habe mich gefragt: “Kann ich das überhaupt?” Aber ich bin da so langsam reingewachsen.” Die erste Station für Laura im Sozialkaufhaus war das Putzen, dann hat sie im Textilbereich ausgeholfen, bis sie schließlich im Verkauf arbeitete. “An meinem ersten Tag im Verkauf machte sich erstmal Panik breit bei mir – schließlich bin ich ein ziemlich introvertierter Mensch”, erzählt sie. Jeder Wechsel zu einem neuen Aufgabenbereich war anfangs zwar eine fachliche Herausforderung, die mit den Zuständigen von P&S abgesprochen wurde, aber das hatte auch seinen Grund: Denn das Ziel war stets, Laura zu neuen Kompetenzen und mehr Selbstvertrauen zu verhelfen.
Der Plan ist aufgegangen, denn heute kann sie über die anfängliche Panik lachen. Bei H2Hibu im Verkauf hat sie ihre Schüchternheit überwunden, erste Erfahrungen im Kundenservice gemacht und Aufträge entgegengenommen. “Besonders kassieren habe ich mir erst gar nicht zugetraut – jetzt mache ich das jeden Tag.” In einem Bewerbungscoaching bei P&S hat Laura dann noch die nötigen Fähigkeiten gelernt, um in einem Bewerbungsgespräch von sich überzeugen zu können. Damit war der Weg geebnet, um den nächsten Schritt zu gehen: Jetzt arbeitet Laura bei einer Edeka-Filiale, kann sich von ihrem Gehalt dort und dem Einstiegsgeld, das sie aufgrund ihres geplanten Studiums bekommt, einiges zurücklegen. Parallel dazu fertigt sie eine Kunstmappe an, die sie für die Bewerbung um einen Studienplatz Ende Februar braucht.
“Wenn mich die Motivation mal verlässt, stelle ich mir mein Leben in Erfurt vor: Meine eigene Wohnung, die vielen Freizeitmöglichkeiten und das Studium, in dem ich mich verwirklichen kann.” Laura schaut an der Kamera vorbei in die Ferne. “Ich freue mich, was aus meinem Leben zu machen.”